Freitag, 15. Februar 2008

Kapitel 2

Die Träume meiner Jugend verplierten wie gewöhnlich am Kleinbahnhof zu Putzbutz, und in Erwartung der Frau von Euroflor philosophierte ich wie ein rotweingetränkter Esel vor mich hin: „Wenn ich im Winter hier sitze, bei neunzig Grad im Schatten und drei Umdrehungen in der Minute, plustern die Spatzen mehr Abgase in die Luft, als man atmen kann.“ Und in Gedenken an den großen Zigeunerkonz: „So drückend ist dann die Stimmung, bei zwei Komma acht Minibar, dass ich auf Teufel komm raus das Fliegen wieder erlernen will, und sei es um den Preis von tausend Zwiebeln!“ In der Ferne trödelten die Frau von Euroflor und ihre Dreingabe, der Pole, heran, schwänzeltanzend und brummend. Ich beendete meine sibirische Anekdote mit der Folgerung: „ So breite ich die Nasenflügel aus und schwinge mich auf, gestützt von Nitroglyzerin hoch sechs und einer leichten Schneewolke.“ Infolgedessen verfügte ich mich aufwärts und ritt nach einer informellen Begrüßungszeremonie mit meinen Kanaillen im Wiesenweg ein. Angekommen, vertilgten wir in der Korkküche nach alter Tradition einige Pilze und Haxen, um uns mit Bergsteigerlampe und viel Gekrös in die Kammer unseres Guruvatis zu begeben. Der Zigeunerkonz entzündete feierlich eine üppige Wundertüte, und während die süßen Schwaden der kafkaesken Nebel die Kammer durchstriffen, bohrte die Frau von Euroflor mit spitzem Fingernagel ein Loch in meinen Schädel, um ein weiteres Meisterwerk der Katapultmembranen zu Tage zu fördern. Sie sprach: „Jetzt muss es erschaffen! Nicht aufgeben, wenn böhmische Knödel zu Mike Oldfield leise piesen. Dein Reaktionsvermögen ist schwer und ölig, und die Lampe ist nicht alt und tut nicht nur so, sondern beides...“ Der Zigeunerkonz faselte derweil vom Wüstenplaneten. „Odé, odé!“ rief er. Die Frau von Euroflor zupfte an meinen Gedankensträngen und fuhr fort: „Langsam ist er aus, in kann so etwas nicht mit ansehen. Von Anmache zu Anmache wird er räudiger, und wenn wir alles fleißig aufschreiben und nichts mehr sagen, dann wird die Welt schon sehen, was sie verzapft hat.“ Der Pole schüttelte sein greises Haupt, packte Morek, die Freihaus-Echse, am Schwanz, und verschlang das Getier mit Haut und Vollbart. Die Frau von Euroflor ließ sich hiervon nicht beirren. „Das ist kein Arrangement“, sagte sie, „alles muss nur gut exaltiert werden und leise einköcheln. Der Stoff, aus dem die Töne gemacht sind, ist scharf, wie rote Grütze. Das ist etwas Gutes für den Morgen. Wie der Klopfgeister-Promo – aus dem Handschuhfach geschüttelt, und darum perfekt.“

Natürlich klatschte die gesamte Versammlung eifrig Kaffee, und ich war’s zufrieden. Ich öffnete nun meinerseits die Schädeldecke der Frau von Euroflor, woraufhin eine Wolke grünen Tees entwich. Der Pole stellte sich auf den Kopf und schrie: „Der fette Sack fliegt, der fliegt, der fette Sack!“ Ich konnte dazu nur milde Ernte, verschränkte mich ganz und gar und hub an: „Eene, meene, mietz! Das ist eine Kommerzscheibe, das wirst du gleich erkennen, wenn ich die kleinen Püschies hole.“ Der Zigeunerkonz mischte sich nun auch in cmyk-Farben: „Wir fühlen uns übelst wie zu Hause! Bin ich schuld? Worüber? Wegen dem Dope? Sie werden mich anzeigen.“ Der Pole unterbrach ihn: „Das war Whigfield. Die fährt hier durch und macht tüdelüd, und dann fährt sie weiter.“ Die Frau von Euroflor steckte sich entrüstet einen Luffaschwamm in den Kopf und schimpfte: „Vorsicht, mein Tier! Ob ich ausschlafe oder nicht, entscheide ich!“ Der Pole stieß auf Widerstand, da Morek, das Echsentier, sich in seiner Zahnradlücke zeigte. Die Frau von Euroflor war nun in Rage. „Morek! Du kommst und gehst wie die Menstruation und wechselst die Räume. Wir dürfen das Thema nicht totschweigen! Hast du was von Fusi und Johnson?“

Da gab es ein großes Tzara in der Dachkammer. Plötzlich erschien über unseren Köpfen die Gestalt des heiligen E., ganz und gar in Ektoplasma gehüllt. E. streckte seine gierigen Finger nach dem Luffaschwamm aus und trank ihn in kurzen Schlucken aus. „Ablifter!“ schrie die Frau von Euroflor. „Odé!“ fügte der Zigeunerkonz begeistert hinzu. Ein dreckiges, stinkendes Tier galoppierte durch den Raum. E. ergriff Besitz von meinem Körper – es war für uns beide sehr schön – und begann, durch mich zu sprechen: „Mr. Honky, der Weihnachtskodsch, ist nackt übers Wasser geschossen. Ich denke mal, das wird sich einrichten. Ich ziehe die Blicke auf mich, obwohl die Nackten auf Rügen nicht ausbleiben. Ich habe bisher nur ein einziges Bild selber erstellt. Ich muss erst mal die intelligentere Art, Kontra zu geben, auswendig lernen. Sie haben in die heilige Mischeschale geascht, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Die Gestalt über unseren Köpfen begann zu wabern und ließ nun wie Abendglocke, Handcreme und Manneskraft ihre Stimme erschallen. „Ich bringe eurer Oma bei, rohe Eier zu schlürfen! Ich bin der Messias!“ Alle sanken auf den Boden und nahmen in stiller Andacht ihre Füße in die Hände. Nur ich wand mich zwischen den verlorenen Farbzapfen hindurch und sprach weiter. „Mr. Honky ist nackt vom Hochhaus gesprungen und losgeflogen. Ich denke mal, das können wir tragen. Ich sauge so einiges an, auch wenn die Revolution in Hypnose verschwimmt. Ich habe bis zum heutigen Tag erst einen einzigen Tumor ausgebrütet. Zunächst will ich LSD ins Trinkwasser gießen! Sie haben mich räudig genannt, denn sie wissen nicht, was sie tun! Ich bringe euren Jugendlichen bei, rohe Eier zu werfen. Schläge, Schlabbernudel? Ich bin der Messias!“ E. dematerialisierte sich mit einem lauten Knall. Fätzchen autobiographischer Kurzprosa rieselten zu Boden. Wir erholten uns nur langsam von dieser Erscheinung. „So nimmt denn unsere Hände! Buschi buschi!“ rief ich streng. Der Zigeunerkonz machte schnell den Fake aus und wir setzten uns im Kreis umeinander her. Wir stimmten einen alten Gesang an: „Xibalba Challamachalla! Weil ich nachher auch gern wieder los fahr’, trink’ ich Bier auf Rotwein. Ich darf alles, Hauptsache, ich mach’ es auch!“ Der Pole genoss sein Solo: „Hallo, ich bin in einer fremden Welt!“ Und alle: „Welche denn?“ Wir sangen und drehten uns in kleinen Ellipsen. „Ich werde wieder Soundblaster-Rotkäppchen-Äpfel essen und aus den Ungarischen rausgehen. Pediküre am eigenen Mann schützt vor Torheit nicht, plus minus einen Lolli gratis.“ Und Pole: „Hallo, ich bin in einer fremden Welt!“ Und alle: „Passwörter eingeben! Arbeit macht’ n krummen Buckel.“ Ja, so war das, damals da bei Dada. Wir sangen: „Wo ist die Option? Pro kontra Wüstenstaub.“ Und Pole: „Hallo, ich bin in einer fremden Welt!“ Und alle: „Wie komme ich hier wieder raus? Liebe hängt in der Schweinshaxensuppe – zurück zum Stammordner!“

Der Pole erkannte, dass seine Zeit gekommen war. Er schwang sich langsam auf und pendelte sich ein, während ich der Frau von Euroflor die Grätchenfrage ins Ohr flüsterte: „Reiß oder aus?“ Pole warf einen letzten Stein, einen letzten Blick zurück, und mit den Worten „Ich gehe mit meinem Beutel und mein Beutel mit mir“ löste er sich in seine Grundprinzipen auf und schwebte als Äther durchs Fenster, auf und davon zum Referentenorgan.

Der Zigeunerkonz kniff die Frau von Euroflor in den Schenkel und sagte: „Wer zuerst lacht, macht die Luke zu. Wir werden nackt geboren, wir werden alle sterben.“ Die Frau von Euroflor begann, Harnischfäden zu komponieren und räkelte sich in aller Unschuld auf dem Flor herum. Sie lockte den Zigeunerkonz: „Vielleicht steckt in meiner Hose noch was für dich – gib mir Kohle, du Bastard!“ Die Hammondorgel konnte das Hintergrundgeräusch des Flötenlutschers nicht überhören oder übertönen. Die Frau von Euroflor sagte: „Mach mir’ n Pumper, n gesunden Pumper. Aber du willst mich nicht fortpflanzen...“ Der Zigeunerkonz raffte seine Segel und stürzte sich auf sie. Ich ging kurz in die Ungarischen, und nur gedämpft hörte ich, wie in den Schriftklöstern der Reigen vollführt wurde und der Gesundheitskonz en Pleitevertrag für Pumper diktierte: „Wenn Pumper in einer Woche kommt. Und in zwei Wochen sind wir auseinander. Weil mir ein panischer Autounfall beide Beine abgerissen hat. Und den Schniepel. Und ich ohne beide Beine rumrenne. Und ohne Schniepel. Dann ist Pumper pleite. Baby, ich hab’ Angst.“

Keine Kommentare: